Kuhnasenrochen im Bunker
Was haben Haifischbecken und Bunker gemeinsam? Wer „Nichts“ denkt, der irrt. Denn im „Haus des Meeres“ in Wien haben Wasser, Fische und Tropentiere einen Flakturm aus dem Zweiten Weltkrieg erobert.

Der ehemalige Flakrum, in dem sich heute das „Haus des Meeres“ befindet. Foto: Hans Koeppen / Haus des Meeres
Die Hauptstadt Österreichs ist eine Stadt der Gegensätze, in der Altes auf Neues trifft: Kaffeehaus-Gemütlichkeit auf moderne Schnelligkeit, Wiener Walzer auf Popmusik und Relikte des Zweiten Weltkrieges auf sonntägliches Meeresvergnügen.
Doch Gegensätze bleiben in Wien nicht unvereint, sondern es wird passend gemacht, was nicht passt – oder eben doch. Dass bereits 1957 der damalige „Verein für Meeresbiologie“ in einen Flakturm aus dem Zweiten Weltkrieg einzog und auf 1,5 Stockwerken eine Meeresausstellung einrichtete, passt zu dieser Stadt.
Keine Angst vor Haien
Der Flakturm im Esterházypark im sechsten Wiener Gemeindebezirk Mariahilf ist einer von sechs aus Stahlbeton gebauten Schutzbauten in Wien, die zwischen 1942 und 1945 errichtet wurden. Mit Feuerleitanlagen und Flugabwehrgeschützen auf den Dächern sowie Luftschutzräumen für jeweils 30.000 Menschen waren sie Teil eines riesigen Systems, das Wien und seine Bevölkerung vor der Gefahr aus dem Himmel schützen sollte.

Unter dem Aquarium durchlaufen: im Atlantiktunnel. Foto: Daniel Zupanc/ Haus des Meeres
Dabei wurden jeweils ein Gefechts- und Feuerleitturm in einem Dreieck um den Stephansdoms angeordnet. Heute hat der Leitturm im Esterházypark nichts mehr mit seinem ursprünglichen Zweck zu tun, denn obwohl Hammerhaie und Krokodile gefährlich sind, im Schutzraum muss sich seit 1957 niemand vor ihnen verstecken.
„Der Flakturm ist in einer Seitenstraße der Mariahilf, die Einkaufsstraße Wiens. Steht man davor, ist es ein völliger Kontrast: Der Trubel der Mariahilf und der mächtige Flakturm“, erzählt die 21-jährige Miriam Gröning, die für ihr Studium von Wien nach Mannheim gekommen ist. Auch wenn die Fassade des Turms noch einschüchternd wirken mag, bedrohlich ist der Turm nicht mehr.
Heute tummeln sich dort auf 11 Ebenen und 5000 Quadratmetern etwa 10.000 Tiere: Im Erdgeschoss leben die Krokodile und im zehnten Geschoss die Hammerhaie. Dazwischen gibt es von chinesischen Riesensalamandern bis zu Röhrenaalen so ziemlich alles, was einem an Wassertieren in den Sinn kommen mag.
Ausstellung über Geschichte des Flakturms
Und nur Besucherausstellung, das wäre in der Stadt der Gegensätze zu einfach. So befinden sich im sechsten Stock noch eine Pflegestation für beschlagnahmte und ausgesetzte Reptilien sowie eine Forschungsstation, die beispielsweise über die Sprache der Seepferdchen forscht.
Und auch den Ort seiner Unterbringung vergisst das Haus des Meeres nicht. Seit Juni 2009 informiert die Ausstellung „Erinnern im Innern“ über die Wiener Flaktürme und den zivilen Luftschutz in Wien. Geschichte gehört hier also zum Zoobesuch dazu. Franz Six, der Vorstand der Stiftung, die das Haus des Meeres betreibt, schreibt auf der Homepage des Aqua-Zoos: „Erinnern im Innern lautet unsere Devise, die dem ursprünglichen Verwendungszweck des Turmes gerecht werden soll.“

Und vom Dach aus noch ein fantastischer Blick über Wien. Foto: Hans Koeppen/ Haus des Meeres
„Der Flakturm ist ein gutes Beispiel, denn es ist wichtig, dass solche Gebäude genutzt werden und nicht verfallen“, sagt Gröning. Und für wen Krokodile und Haie zu langweilig sind, für den hat der alte Flakturm im Esterházypark noch etwas zu bieten: eine Kletterwand an der Außenfassade. „Die Kletterwand will ich schon ewig hinaufklettern“, erzählt Gröning. Das Haus des Meeres zeigt, was in Wien möglich ist, denn Wien hat viel mehr zu bieten als Sissi, Walzer und Melange.
Das Haus des Meeres in Wien ist ganzjährig geöffnet. Die Eintrittspreise reichen von 7,60 Euro (Kind) bis 16,70 Euro (Erwachsener). Weitere Informationen unter der Homepage des Haus des Meeres.
Ideen, die Sinn machen. Nichts wie hin. Kann mit einem Besuch im Naturhistorischen Museum verknüpft werden, wo die Vorfahren von Krokodil, Hai, Co. zu besichtigen sind. Siehe kultisch.net