„Wir nehmen die Geschichte aus dem Archiv und machen sie lebendig“
Der Kanadier Stacey Spiegel ist Spezialist für multimediale Inszenierungen. Er begleitet die Arbeit der beiden Ausstellungsteams des MARCHIVUM, berät in Fragen der technischen Möglichkeiten und gibt Hinweise, wie man komplexe Inhalte multimedial und interaktiv umsetzen kann. Wir haben mit ihm über seine Arbeit gesprochen.
Blog: Was war für Sie ausschlaggebend, sich auf das Projekt in Mannheim einzulassen?
Spiegel: Vor allem die Leute. Es ist eine sehr interessante Gruppe. Prof. Nieß hat eine Vision, auch innerhalb der Community der Archive.
Die Stadtgeschichte ist vielleicht nicht ganz so interessant für mich wie die NS-Zeit. Ich lerne hier sehr viel über Mannheim und die Stadt. Und bin sehr überrascht über seine Geschichte. Und ich glaube, dass wir diese Geschichte in den Ausstellungen auf eine sehr interessante Art und Weise erzählen werden.
Vor allem, indem man diese Geschichten mit den Erfahrungen der NS-Zeit verbindet, bekommt man einen Eindruck von der Entwicklung, die die Stadt gemacht hat, aber auch von der Entwicklung, die eine Nation durchgemacht hat.
Blog: Mannheims Erinnerungen in diesem Archiv sind ja zum größten Teil aus Papier. Ist es nicht schwierig, hier den Transfer zu etwas Visuellem zu machen, quasi Geschichten, die man „anfassen kann“?
SPIEGEL: Das genau ist ja mein Job: Herauszufinden wie man mit den Besuchern kommuniziert, um sie zu erreichen, mehr noch, sie einzunehmen, zu gewinnen. Und das wollen wir ja auch für unterschiedliche Altersgruppen, unterschiedliche Generationen, vor allem für junge Menschen. Auch für Nicht-Mannheimer, für Besucher, die von außerhalb kommen. Aber der Hauptfokus sind die Mannheimer.
Blog: Was ist Ihre Rolle in dem Projekt?
SPIEGEL: Erst einmal höre ich zu und versuche zu verstehen, was sich die Teams für die Ausstellungbereiche als Ziele vorgestellt haben. Dann versuche ich ihnen auf dem Weg zur Umsetzung zu helfen. Das Projekt läuft ja schon über einen längeren Zeitraum. Am Anfang haben wir sehr viel über das Konzept gesprochen und jetzt geht es in die Realisierung. Und das auch schon sehr detailliert, etwa indem man sich überlegt, was ein Besucher, z.B. ein Jugendlicher, in die heutige Zeit mitnehmen sollte, wenn er die NS-Ausstellung verlässt. Soll er emotional verstehen, was es bedeutet in einer Demokratie zu leben? Das ist ja vielen heute selbstverständlich und wird nicht mehr hinterfragt.
Wichtig ist mir auch, dass wir das im Dialog erarbeiten. Nicht eine Person sagt „Das machen wir so“, sondern es ist ein kollaborativer Prozess von allen.
Blog: Und der Bunker als Ort?
SPIEGEL: Außergewöhnlich! Er gab auch den Ausschlag für mich, mich an diesem Projekt zu beteiligen. Es ist ein sehr authentischer Ort. Diesen Nazi-Bunker für einen anderen Zweck wiederzuverwenden, zu zeigen, dass es notwendig ist für die Idee von Freiheit und Demokratie zu kämpfen, das gefällt mir sehr. Es gibt keinen besseren Platz dafür.
Blog: Was ist die größte Herausforderung für die Ausstellungen?
SPIEGEL: Die Herausforderung ist: Wir nehmen die Geschichte aus einem Archiv, das aus Papier, Fotos, Filmen besteht, das in vielen Kisten liegt, und machen es lebendig. Aber auf eine Art und Weise, die eine junge Generation erreichen soll. Und das ist ein ganz schönes Stück harte Arbeit. Die meisten Menschen denken bei Archiven an einen Tresor, an einen Keller – und den öffnen wir. Wir haben die Chance, das Wissen im Archiv in eine Erfahrung zu verwandeln.
Blog: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch mit Stacey Spiegel wurde am 7. Juni 2017 geführt.